Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes kommen mehr als 1000 Menschen pro Jahr durch einen Sturz auf einer Treppe ums Leben, wobei die große Mehrheit dieser Unfälle sich im häuslichen Bereich ereignen. Mit zunehmendem Durchschnittsalter der Bevölkerung – derzeit sind etwa 1 Drittel aller Menschen in Deutschland über 60 Jahre alt – rückt das Thema immer mehr in den Fokus.
Mit zunehmendem Alter und eingeschränkter Beweglichkeit können schon wenige Stufen im Garten, am Hauseingang oder in der Wohnung zum Hindernis und vor allem zur Gefahrenquelle werden.
Anspruch auf sichere Treppen
Der Gesetzgeber schreibt beidseitig angebrachte Handläufe nicht nur in öffentlich zugänglichen Gebäuden sondern auch in nicht stufenlos zugänglichen Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen vor. Grundsätzlich gilt dies immer, wenn mit der Anwesenheit von Kindern, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderung zu rechnen ist-
Dies ignorieren Bauherren, Immobilienbesitzer und Verwaltungen jedoch auf breiter Front.
„Doppelseitige Handläufe werden von Bauherren, Immobilienbesitzern und Verwaltungen auf breiter Front ignoriert“
Werner Thomaier, Geschäftsführer des ehemaligen Deutschen Instituts für Treppensicherheit e.V.
Mangel an konsequenter Umsetzung der Gesetze
Der deutsche Gesetzgeber hat zwar die Vorschriften zur Treppensicherheit in öffentlich zugänglichen Gebäuden formuliert, oft mangelt es aber an der konsequenten Umsetzung der Gesetze. Sie werden häufig missachtet – oft aus Unwissenheit – was angesichts der demografischen Entwicklung nicht verständlich ist.
Um die gesetzlichen Vorschriften zu erfüllen, gibt es die DIN-Normen, die in die Bauordnungen der Bundesländer aufgenommen sind und damit Rechtskraft haben. Sie gelten auch für das private Haus. Nach einem allgemein im Recht geltenden Grundsatz ist man verpflichtet, die zur Vermeidung eines Schadens notwendigen und zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Im öffentlich zugänglichen Bereich, in Gebäuden und Grünanlagen gelten die DIN Normen 18024/25 beziehungsweise 18040. Diese sehen vor, dass:
- Handläufe beidseitig durchgängig ohne Unterbrechung über die gesamte Treppenlänge zu führen sind
- mindestens 30 Zentimeter waagerecht über Anfang und Ende der Treppe hinausgezogen werden müssen
- Handläufe müssen gut umgreifbar und farblich kontrastreich zur Wand sein.
- Das Material soll wenig wärmeleitend sein und selbst bei Feuchtigkeit Griffsicherheit bieten.
In einer Vielzahl von Gebäuden, vor allem mit Publikumsverkehr, sind bereits ab zwei Stufen beidseitig Handläufe gesetzlich vorgeschrieben. Wird durch einen fehlenden oder fehlerhaft montierten Handlauf ein Schaden verursacht, so haftet der Hauseigentümer, gestützt auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Letztlich setzt der Mensch den Maßstab, die Normen werden auf Basis der Bedürfnisse des Menschen formuliert. Wer ältere Menschen beobachtet, aber auch die Mutter mit dem Kleinkind auf dem Arm, den Unfallverletzten, den Blinden oder Kleinwüchsigen, den Menschen mit Behinderung oder Schlaganfall, versteht, warum in Norm und Gesetz Handläufe genau beschrieben sind.
Im Falle eines Unfalls haftet der Eigentümer oder Pächter
Auch private Hausbesitzer sind betroffen, denn hier drohen hohe Haftungsrisiken bei Nichtbeachtung der Verkehrssicherungspflicht. Im Schadensfalle durch Nichtbeachtung von gesetzlichen Vorgaben und Normen, kann der Hausbesitzer zu Schadenersatz oder Schmerzensgeld verurteilt werden kann. Hiervon kann auch die Gesamtheit der Eigentümergemeinschaft betroffen sein.
Wichtig: Sicherheitsmängel frühzeitig einfordern
Mieter wird geraten, das Recht auf sichere Treppen auch als Familie mit Kindern einzufordern. Ein Gericht in 2004 urteilte, dass selbst wenn der Zustand der Treppe nicht der Bauordnung entspricht aber diese vom Mieter über Jahre nicht angerügt wird, keine Schadensersatzansprüche bestehen. Die Begründung des Gerichts ist, dass wenn man trotz Kenntnis der Mängel diese über einen solchen Zeitraum ignoriere, man grob fahrlässig handelt und damit die ursprünglich vorhandenen vertraglichen Mängelrechte verliert.
Beschwert man sich über eine nicht fachgerechte Treppe zuvor, sieht das rechtlich anders aus und man wahrt damit seine Mängelrechte und damit im Falle eines Schadens, potentielle Schadensersatzansprüche. Die Beschwerde hat aber auch für den Bauherren einen Vorteil: Er kann durch die Beseitigung der Sicherheitsmängel, idealerweise mit nachträglicher Zertifizierung der Treppensicherheit über einen Sachverständigen, sich in der Zukunft vor etwaigen Schadensersatzansprüchen bei Unfällen schützen.
Geringe Kosten auch durch Bezuschussung
Die Pflegekassen und Krankenkassen bezuschussen den Einbau eines Handlaufs, wenn ein Hausbewohner diesen aufgrund seiner eingeschränkten Mobilität benötigt.
Gesundheitliche und soziale Aspekte durch Treppensicherheit
Für ältere Menschen mit körperlichen Einschränkungen steht Treppensicherheit für Lebensqualität, denn im Alter möchte man sich bewegen, das Haus verlassen und soziale Kontakte pflegen können. Ein korrekt angebrachter Handlauf ist ein einfaches Hilfsmittel, um für viele Menschen ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit bedeuten kann.
Gerade in Zeiten der CoronaPandemie wurde uns vor Augen geführt, wie sehr jeder von uns auf menschliche Nähe angewiesen ist. Viele Seniorinnen und Senioren haben lange ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, um sich vor Ansteckungen zu schützen und brauchten gerade jetzt mehr denn je Treppenhäuser, die sich sicher begehen
können. Der beidseitige Handlauf an Treppen muss selbstverständlich sein.
Im Juli 2017 wurde das Bundesteilhabegesetz verabschiedet. Es will allen Menschen den ungehinderten und insbesondere selbstbestimmten Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglichen. Die Konvention geht davon aus, dass Menschen von außen durch Umwelt und Strukturen behindert werden, was aktiv zu verhindert gilt.